„Kinder sollten auf einen Baum klettern. Möglichst täglich!“

Ausdauer lässt weltweit nach. Somit steigt das Risiko für Herzkreislauferkrankungen. Experten der TU München geben Tipps für einen „bewegten Alltag“.

"Kinder sollten auf einen Baum klettern. Möglichst täglich!"

Mindestens 1,5 Stunden täglich sollten Kinder sich bewegen. Alles ist erlaubt, Hauptsache es macht Spaß.

München, November 2013 – Heutige Kinder und Jugendliche sind im Vergleich zu ihren Eltern unsportlicher – zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von 50 Studien aus 28 Ländern, die gerade auf einer Konferenz der Amerikanischen Herzvereinigung in Dallas vorgestellt wurde. „Die Ausdauer der Kinder zwischen neun und 17 Jahren sinkt seit 1975 – auch in Deutschland -, während der Anteil von Körperfett stetig zunimmt. Kinder sind heute um 15 Prozent weniger fit als ihre Eltern. Die Fitness deutscher Kinder sinkt alle zehn Jahre um sechs Prozent und Kinder sitzen mehr als je zuvor“, informiert Professor Renate Oberhoffer, Leiterin des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie der TU München, über die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie.

Ausdauer senkt Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Ausdauer ist ein entscheidender Gesundheitsfaktor: Sportliche Kinder, die in der Lage sind, längere Strecken zu laufen, haben als Erwachsene ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Experten empfehlen als Minimum eine Stunde mittlere bis starke Bewegung pro Tag. Professor Martin Halle, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der TU München, war bei dem Kongress in Dallas dabei. Er rät: „Kinder sollten sich mindestens 1,5 Stunden täglich bewegen.“

Aktivität im Alltag plus Sportverein
Der Präventivmediziner empfiehlt, mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren: „Mit dem Fahrrad, dem Roller oder zu Fuß zur Schule und zurück, Bewegung in der Pause, Schulsport, Nachmittags mit dem Rad zu Freunden und zwei Mal pro Woche Training im Sportverein – alle Probleme wären weg und die Kinder wären ausreichend an der frischen Luft.“

Eltern als Vorbilder
Eltern sollten ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Professor Oberhoffer: „Eltern sollten ihre Kinder vor allem nicht an Bewegung hindern“, etwa indem sie sie noch mit über zwei Jahren in den Kinderwagen schnallen oder größere Kinder mit dem Auto zur Schule, zu Freunden oder Freizeitaktivitäten bringen (außer die Wegstrecken sind zu lang bzw. zu gefährlich). Professor Halle ergänzt: „Kinder sind grundsätzlich aktiver als Erwachsene, nur übertragen wir Erwachsene unsere Inaktivität auf die Kinder. Jedes Kind sollte auf einen Baum klettern. Möglichst täglich!“ Dass Kinder weniger sportlich sind als früher und immer mehr sitzen, liege auch daran, dass sie immer länger in Betreuungseinrichtungen untergebracht seien. Dort gibt es in der Regel keine geschulten Trainer und damit nur selten die Möglichkeit zum Sport. Zudem haben Laptops, Smartphones und Fernseher einen entscheidenden Einfluss – sie reduzieren die Zeit für Aktivität. Die Experten raten, die Medien-Zeit auf 30 Minuten am Tag zu begrenzen.

Sportliche Erlebnisse mit den Eltern
Otto Zelger, Sportmediziner an der TU München und Mitglied der Gesellschaft für Pädiatrische Sportmedizin, sagt: „Das Beste für die Kinder ist, wenn sich die Eltern sportlich betätigen. Durch einen bewegten Alltag erleben die Kinder die Freude an der Bewegung von klein auf. Also: am Wochenende mit der ganzen Familie eine Fahrradtour machen, Schwimmen oder Schlittschuh laufen. Das Entscheidende dabei ist nicht die sportliche Leistung, sondern das gemeinsame Erlebnis und die Freunde an der Bewegung. Eine Sechsjährige, die mit ihren Eltern in die Berge geht, über manche schwierige Pfade klettert, unterwegs Schätze sammelt, auf dem Gipfel Bergziegen und vielleicht sogar einen Adler entdeckt, wird auch viel mehr zu erzählen haben, als jemand, der das Wochenende nur vor dem Fernseher verbracht hat.“

Bewegung soll Spaß machen
Bei der Wahl der Sportart gilt: Alles ist erlaubt, Hauptsache es macht Spaß. Empfehlenswert sind altersgerechte Sportarten wie Radfahren, Schwimmen, Inline Skaten, Turnen, Ballett, Fußball, Judo, Skifahren oder Schlittschuhlaufen. Professor Oberhoffer: „Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht nur zum Beispiel Tennis gespielt wird. Das ist zwar gut hinsichtlich der sportlichen Bewegung, aber einseitig.“

„Einen Sportverein braucht es unbedingt“
Zwei Stunden Schulsport pro Woche reichen „keinesfalls“ aus, sind sich die Mediziner einig. Sie sprechen sich vehement für Sportvereine aus. „Für die altersgemäße sportliche Entwicklung erfüllt der Sportverein eine ganz wichtige Funktion“, so Zelger. In Kindersportschulen (KISS) werden Kinder ab zwei Jahren sportartübergreifend gefördert. „Erst mit etwa zehn Jahren entscheiden sie sich dann für eine Sportart, die ihnen besonders viel Spaß macht und bei der sie bleiben wollen.“ Der große Vorteil des Sportvereine sei der edukative Aspekt: Viele Werte können mit Hilfe von Sport auf einfache Art und Weise vermittelt werden, etwa Fairness, Respekt, Gewinnen und Verlieren. Auch soziale Aspekte wie Gemeinschaftssinn oder Teamfähigkeit seien nicht zu vernachlässigen.

Die Experten:

Professor Renate Oberhoffer ist Leiterin des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie der TU München. Die Kinder- und Jugendmedizinerin mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie und der Zusatzbezeichnung Sportmedizin ist außerdem am Deutschen Herzzentrum in München tätig, im Bereich Fetaler Echokardiografie (Vorgeburtliche Herzdiagnostik) und als Leiterin einer kinder- und jugendsportmedizinischen Sprechstunde für Gesunde und chronisch Kranke.

Professor Martin Halle ist Ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der TU München, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin. Sein Spezialgebiet umfasst die Prävention und Rehabilitation internistischer Erkrankungen, insbesondere von Herzkreislauferkrankungen.

Otto Zelger ist Assistenzarzt am Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München, Verbandsarzt des Bayerischen Leichtathletik-Verbands und Mitglied der Gesellschaft für Pädiatrische Sportmedizin.

Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie, Uptown München-Campus D, Georg-Brauchle-Ring 60/62, 80992 München, Telefon: 089 / 289 24 571, Internet: www.praeventive-paediatrie.sg.tum.de

Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München, Uptown München-Campus C, Georg-Brauchle-Ring 56, 80992 München. Telefon: 089 / 289 244 41. Internet: www.sport.med.tum.de.

Kontakt
Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München
Professor Martin Halle
Uptown München-Campus C, Georg-Brauchle-Ring 56
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089 / 289 244 41
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